Kapitel I: Imperiale Träume (Empire Dreams)
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Panel 1:
Dover ist der Punkt in England, der Frankreich am nächsten liegt. Die Stadt ist bekannt für ihre weißen Klippen, die man im Hintergrund sehen kann.
Panel 2:
Die Figur auf dem Zigarettenetui ist ein Harlekin, gezeichnet nach einer Illustration von Aubrey Beardsley. Beardsley zeichnete ihn in seinem Bild The Scarlet Pastorale, 1898 im London Year Book abgedruckt.
Panel 3:
Eine Droschke wie diese kommt regelmäßig auch in Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes-Geschichten vor (dass das kein Zufall ist, werden wir später noch sehen).
Panel 5:
Was "Uncle Sam" für Amerika ist, das ist "John Bull" für England. Eine sinnbildliche Figur, die für das ganze Land und sein Volk steht (eine deutsche Entsprechung wäre der "deutsche Michel"). Auf dieser Website der Library of Congress kann man die beiden zusammen sehen.
Die englische Firma Bryant and May stellt seit 1861 Streichhölzer her.
Panel 7:
Hier werden zwei wichtige Figuren der Serie eingeführt. Der Herr heißt Campion Bond, was vertraut klingt, aber keine literarische Entsprechung hat.
Der Vorname könnte von Albert Campion stammen, einem Detektiv aus Romanen von Margery Allingham. "Campion" bedeutet im Englischen auch Leimkraut, eine Wildblume ähnlich dem Ackergauchheil (engl. "Scarlet Pimpernel", siehe Kapitel II, S.23).
Bonds Auftritt (er nimmt ein Zigarettenetui aus der Jacke und zündet sich eine an, während man sein Gesicht nicht sehen kann) hat große Ähnlichkeit mit einer Szene aus dem Film Dr. No (James Bond jagt Dr. No, UK 1962): Sean Connery sitzt im Casino und zündet sich eine Zigarette an. Erst als die Frau, gegen die er spielt, nach seinem Namen fragt, zeigt die Kamera sein Gesicht und er sagt seinen berühmten Satz "Bond, James Bond". Campion könnte also durchaus mit James Bond verwandt sein.
Alan Moore sagte in einem Artikel der Zeitschrift Wizard, dass er keine passende literarische Vorlage für diese Figur finden konnte und deshalb selber einen Namen erfunden hat, der den Lesern bekannt vorkommen soll.
Die Dame ist Wilhelmina Murray, aber wie wir bald feststellen werden, ist das nicht der Name, an dem die meisten Leser sie erkennen können.
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Hier sehen wir den ersten Hinweis darauf, dass wir es hier nicht mit einem historisch korrekten England zu tun haben, sondern mit einer alternativen Realität. Das massige Bauwerk, auf dem Bond und Murray stehen, ist (wie man auf dem Schild lesen kann) der "Channel Causeway", also eine Brücke über den Ärmelkanal, der England mit Frankreich verbindet. Obwohl es schon seit dem frühen 19. Jahrhundert die Idee gab, eine solche Brücke (oder einen Tunnel) zu bauen, ist dies nie geschehen, sowohl aus politischen als auch aus technologischen Gründen. Die Maschinen, die man für eine Brücke dieser Größe benötigt hätte, gab es nicht, erst recht nicht 1898.
Aber in der Welt dieses Comics leben Persönlichkeiten wie Sherlock Holmes, und so könnte England viel weiter entwickelt sein als in der realen Welt. Somit gehört LOEG zum Genre des "Steampunk", das sind Geschichten, in denen Science-Fiction-hafte Ereignisse vor dem Hintergrund des 19. Jahrhunderts stattfinden, z.B. Paul Di Filippos The Steampunk Trilogy (Die Steampunk-Trilogie, 1995), The Difference Engine (Die Differenz Maschine, 1991) von Bruce Sterling und William Gibson, oder The Anubis Gates (Die Tore zu Anubis Reich, 1983) von Tim Powers. Näheres zum Stichwort "Steampunk" bei Wikipedia.
Die anderthalbarmige Frauenstatue auf der Brücke stellt Britannia dar, die das britische Empire versinnbildlicht. Erstmals wurde die Figur in diesem Zusammenhang auf einer römischen Münze (ca. 150 v.Chr.) verwendet. Im Jahr 1665, während der Herrschaft von Charles II., wurde sie wiederbelebt. Der Löwe ist das englische Wappentier.
Auf dem Sockel unterhalb des Löwen steht "Albion Reach". Dies hat wohl mehrere Bedeutungen. Es kann als "all beyond reach" gelesen werden, also "außerhalb jeder Reichweite" (der Rest der Welt reicht an England nicht heran). "Albion" ist ein alter poetischer Name für England, so könnte mit "Albion Reach" auch die "Reichweite Englands" gemeint sein, die bis nach Frankreich und darüber hinaus geht.
Die Tafel, die die verspätete Fertigstellung der Brücke bekannt gibt, könnte eine Anspielung auf den Eurotunnel sein, dessen Bau erst nach langen Verzögerungen im Jahr 1994 abgeschlossen wurde.
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Panel 1:
Bei Wilhelmina Murray handelt es sich um Mina Harker aus Bram Stokers Dracula (1897). Im Roman war "Murray" der Mädchenname von Mina Harker, und "Mina" ist natürlich die Kurzform von Wilhelmina. In Dracula ist Mina mit Jonathan Harker verheiratet, dem Protagonisten des Romans; gemeinsam mit Dr. van Helsing geraten sie in einen Konflikt mit dem Vampir, den sie schließlich besiegen können. Zuvor jedoch wird Mina von Dracula gebissen und gezwungen, sein Blut zu trinken. Am Ende des Romans ist Mina wieder ein Mensch und gründet mit Jonathan eine Familie. Zwischen damals (1897) und heute (1898) muss etwas passiert sein, was Mina und Jonathan zur Scheidung bewegte.
Panel 2:
"Er leidet an einer Entzündung des Gehirns, hörte ich?" Mehr zu dieser Bemerkung siehe Seite 11, Panel 3.
Panel 3:
Bonds Bemerkung "entführt von einem Ausländer und so weiter" spielt darauf an, dass Mina von Dracula gebissen wurde.
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Panel 1:
Aus Campion Bonds Worten kann man schließen, dass er für den britischen Geheimdienst arbeitet. Vielleicht ist Campion ein Vorfahre von James Bond, sein Großvater oder Urgroßvater? Auch James Bond hat einen Vorgesetzten namens M.
Mycroft Holmes stammt aus den Sherlock Holmes-Geschichten von Arthur Conan Doyle und ist der ältere, dickere und intelligentere Bruder von Sherlock Holmes. Aus Doyles Erzählungen geht hervor, dass Mycroft wie sein Bruder Sherlock die Gelegenheit hatte, dem Vaterland Dienste zu erweisen.
Folgender Dialog zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson stammt aus der Erzählung The Bruce Partington Plans (London im Nebel, 1908):
"Übrigens, weißt du eigentlich was Mycroft ist?"
Ich hatte eine vage Erinnerung, dass ich damals, als wir uns mit dem Abenteuer des griechischen Dolmetschers befassten, etwas davon gehört hatte.
"Du hast mir erzählt, dass er irgendein kleines Amt bei der Regierung bekleidet."
Holmes kicherte. "In jenen Tagen kannte ich dich noch nicht so gut. Man muss vorsichtig sein, wenn man über hohe Staatsgeschäfte spricht. Du hast recht, wenn du glaubst, dass er für die Regierung arbeitet. Und du würdest ebenfalls in gewissem Sinne recht haben, wenn du sagtest, dass er dann und wann die britische Regierung verkörpert."
"Aber mein lieber Holmes!"
"Dachte mir schon, es würde dich überraschen. Mycroft bezieht vierhundertfünfzig Pfund im Jahr, bleibt in untergeordneter Position, hat keinerlei Ambitionen und wird weder Ehren noch Titel ernten; und doch ist er der unentbehrlichste Mann in England."
"Aber wie denn das?"
"Nun, seine Stellung ist einmalig. Er hat sie sich selbst geschaffen. Vorher hat es noch nie so etwas gegeben, noch wird er je einen Nachfolger haben. Von allen Menschen, die ich kenne, besitzt er den schärfsten und methodischsten Verstand und das beste Gedächtnis. Dieselben Gaben, die ich bei der Aufklärung von Verbrechen benutze, wendet er bei seiner Arbeit an. Die Beschlüsse jedes Regierungsbezirks werden ihm zugeleitet, und er bildet die zentrale Verbindungsstelle, die für das Gleichgewicht sorgt. Alle anderen Menschen sind Spezialisten, seine Spezialität ist Universalbildung. Nimm den Fall an, ein Minister benötigt eine Information über einen Vorgang, mit dem die Schifffahrt, Indien, Kanada und das internationale Währungssystem verquickt sind. Er könnte verschiedene Auskünfte von den verschiedenen Ämtern dafür anfordern und erhalten, aber nur Mycroft ist in der Lage, sie auf einen Nenner zu bringen und sofort zu sagen, wie jeder Faktor den anderen beeinflussen wird. Seine Laufbahn begann damit, dass man ihn als bequemen Hinweislieferanten benutzte - heute ist er unentbehrlich. In diesem überragenden Verstand hat jede Einzelheit ihren Platz und kann jederzeit hervorgeholt werden. Wieder und wieder hat sein Wort die Politik der Nation entschieden. Er lebt in ihr, geht in ihr auf. Hin und wieder, wenn ich ihn aufsuche, entspannt er sich - zum geistigen Training - und berät mich bei einem meiner kleinen Probleme."
(Übersetzung von Tanja Terek)
Auch in der James Bond Chronology wird Mycroft Holmes als der erste "M" bezeichnet.
Die Verwendung des ersten Buchstabens als Abkürzung hat eine lange Tradition beim britischen Geheimdienst. Schon die Gründer von MI5 und MI6, Vernon Kell und Mansfield Cumming, wurden als "K" und "C" bezeichnet. (siehe A brief history of the Service).
Panel 3:
"Wir leben in schwierigen Zeiten, da unruhige Träume die Stirn des Empires bedrücken."
Ein interessanter Satz von Bond. Noch im Vorjahr, 1897, wurde das diamantene Thronjubiläum von Queen Victoria als ein großes Ereignis, bei dem Großbritannien sich selbst feierte, begangen.
In Wahrheit herrschte jedoch, trotz all dem Jubel, unter den britischen Führern und Meinungsmachern eine pessimistische Stimmung. Frankreich wurde wieder zur Weltmacht und zu einem europäischen Rivalen, neue Bündnisse wie das zwischen Deutschland und Italien veränderten die gewohnte Weltordnung, die britischen Exporte sanken und die Überlegenheit der industriellen und kommerziellen Macht England wurde von Deutschland und den USA bedroht. Die Konservative Partei, die 1898 an der Regierung war, versuchte ihre Macht zu erhalten, indem sie Angst vor der Zukunft schürte.
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Panel 2:
Wir befinden uns in einer Opiumhöhle. Die langen Instrumente, die die Männer halten, sind Opiumpfeifen.
Der arabische Dialog lautet auf deutsch in etwa so:
Führer: "Wer wohnt hier, Miss?"
Panel 3:
Führer: "Wen suchen Sie hier?"
Murray: "Vielen Dank für Ihre Hilfe."
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Panel 2:
Miss Murray spricht mit Allan Quatermain, dem Helden aus den Büchern von Henry Rider Haggard. Das bekannteste ist wohl King Solomon's Mines (König Salomons Diamanten, auch: König Salomons Schatzkammer, 1885). Quatermain ist einer der archetypischen "Großen weißen Abenteurer", der Eingeborene in den verlorensten Welten der Erde besucht. Die Geschichten über Allan Quatermain hatten einen enormen Einfluß auf ihm nachfolgende Pulp- und Genre-Literatur. Helden wie John Carter, Tex Thompson, Congo Bill und Indiana Jones stammen von Quatermain ab.
Sein Schicksal als Opiumsüchtiger, das wir hier sehen, ist eine Erfindung von Alan Moore. "Offiziell" starb er 1887, am Ende des Buches Allan Quatermain (1887). In Kapitel 1 von Allan und der geteilte Schleier geht Moore auf seinen vermeintlichen Tod ein.
Mehr über Quatermain und seinen Schöpfer erfährt man auf dieser Website.
Eine interessante Theorie, von der Moore zumindest indirekt beeinflusst oder inspiriert worden sein könnte, ist das "Wold Newton Universe" von Philip José Farmer.
Danach landete 1795 ein radioaktiver Meteor bei Wold Newton in England und begründete durch seine Strahlung genetische Mutationen, aus der eine Reihe von extrem intelligenten und starken Menschen wie Tarzan, Doc Savage, Sherlock Holmes, Phileas Fogg, Philip Marlowe u.v.a. hervorgingen.
Panel 11:
Mina: "Bleiben Sie mir vom Leib!"
Führer: "Komm schon, Frau! Wir sind nicht so hässlich. Das ist nur ein Glas [1]. Du wirst überhaupt nichts spüren."
[1] Was hier mit "Glas" gemeint ist, ist unklar.
Panel 12:
Dicker Mann: "Na komm...sei nett zu uns."
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Panel 1:
Führer: "Es wird dir gefallen. Wir sind seine Lieblinge."
Panel 3:
Führer: "...ja, so ist es besser."
Panel 4:
Führer: "Ich schwör's."
Panel 5:
Quatermain: "Das reicht!"
Panel 6:
Quatermain: "...lasst sie in Ruhe oder ich reiße euch die Köpfe ab."
Panel 7:
Dicker Mann: "...er übertreibt ...sieh in nur an. Er ist ein Zerstörer."[2]
[2] Mit "Zerstörer" ist vermutlich ein Opiumsüchtiger gemeint.
Führer: "Du lebst wie ein Toter. Unter Mücken."
Panel 8:
Führer: "Ich mach eine Mücke aus dir!"
Panel 9:
Hier kann man Quatermains Revolver sehr gut sehen. Mehrere Merkmale deuten darauf hin, dass es sich hierbei um einen LeMat handelt, eine berühmte, seltene und ungewöhnliche Waffe, die vor allem von den Konföderierten im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) verwendet wurde: der Revolver wird mit Schwarzpulver geladen (erkennbar an den Stutzen, die hinten am Zylinder herausragen), er hat neun Kammern (im Gegensatz zu den üblichen sechs) und er scheint zwei Läufe zu haben.
Was sagt die Wahl dieser Waffe über Allan Quatermain aus? In den Büchern von Haggard benutzt Quatermain einen Colt, also gab ihm Alan Moore den LeMat. Im Jahr 1898 war diese Pistole altmodisch, vielleicht lässt Moore sie von Quatermain benutzen, weil sie definitiv stilvoll ist. Vermutlich sollen die Waffen in LOEG, ebenso wie die Charaktere selbst, charmante Artefakte der viktorianischen Ära sein: nach modernen Maßstäben veraltet, aber ein Ausbund der menschlichen Genialität zu ihrer Zeit.
Panel 12:
Dicker Mann: "Du Hurensohn hast meinen Bruder getötet ... Ich werd' dir das Herz rausreißen."
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Panel 1:
Dicker Mann: "Verdammter englischer... dreckiger ..."
Panel 2:
Dicker Mann: "Hurensohn!"
Panel 3:
Dicker Mann: "Du wirst nicht so müde bleiben. Du wirst..."
Panel 4:
Dicker Mann: "...sterben?"
Panel 8:
Dicker Mann: "Freunde, sie haben mich getötet! ....lasst sie nicht entkommen!"
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Dieses U-Boot ist natürlich Kapitän Nemos Nautilus, aus Jules Vernes Vingt mille lieues sous les mers (20.000 Meilen unter den Meeren, 1870) und dessen Quasi-Fortsetzung L'Ile mystérieuse (Die geheimnisvolle Insel ,1875). Jules Verne gilt, gemeinsam mit H.G. Wells, als Begründer der modernen Science Fiction. Vernes Nemo entspricht nicht dem Nemo aus dem Disney-Film, der von James Mason gespielt wurde. Verne schrieb düstere Romane, voller Dunkelheit und fantastischen Wissenschaften, mit Nemo als charmantem und romantischen Misanthrop.
Das Symbol zwischen den "Augen" der Nautilus auf der Galerie ähnelt einem Fragezeichen - eine Art Leitmotiv in LOEG.
Das Design der Nautilus stammt von Kevin O'Neill und entspricht nicht den Beschreibungen bei Verne, wo das Schiff mehr einem Wal als einem Tintenfisch gleicht. Da das Boot am Ende von Die geheimnisvolle Insel versenkt wird, ist dies wohl eine zweite Nautilus.
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Panel 3:
Kapitän Nemo ist ein indischer Prinz und Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sikhs, durch britisches Unrecht zum Menschenhasser geworden. Was Nemo dazu brachte, ein Pirat zu werden, war die brutale Unterdrückung der Inder durch die britischen Kolonialherren während des Aufstands 1857/1858, ein Ereignis, das eine tiefe Narbe in der viktorianischen Seele hinterlassen hat, und eine noch tiefere in der indischen. Der Aufstand war voller Brutalitäten und Gräueltaten auf beiden Seiten und stärkte den britischen Konservatismus auf dem Subkontinent.
Verne beschreibt Nemo in Die geheimnisvolle Insel so:
"Ich will ihnen frei und offen sagen, wer ich bin. Mein wahrer Name ist Prinz Dakkar und ich wurde in der ehemals unabhängigen indischen Provinz Bundelkund [1] als Sohn eines Radschahs und als Neffe des Helden Tippo-Sahib [2] geboren. Mit 10 Jahren schickte man mich nach Europa. Ich war reich und sah gut aus - viele wollten meine Bekanntschaft machen. Aber ich mochte die Europäer nicht, ich hasste das Land der Unterdrücker und Ausbeuter, ich behauptete, England sei rückständig, aber je mehr ich das Land hasste, desto stärker bewunderte ich es auch. Man hatte mich im Hass gegen die Kolonialisten und in der Idee der Rekonquista erzogen. Nach außen hin war ich jedoch ein vaterlandsloser Künstler, ein unabhängiger Wissenschaftler und als Politiker Verfechter europäischer Staatsgedanken.
Im Jahre 1849 kehrte ich wieder nach Bundelkund zurück, heiratete eine glühende Patriotin und wurde Vater zweier geliebter Kinder. Aber lange hielt ich es nicht zuhause aus. Ich fuhr kreuz und quer durch die besetzten und freien Gebiete Indiens und predigte meinen Landsleuten die Revolution. 1857 war es endlich soweit. Die Sepoys [3] schlugen los, und ich finanzierte den Aufstand nicht nur, sondern organisierte ihn auch. Hätte uns das Ausland damals unterstützt, wer weiß, was aus den englischen Ausbeutern geworden wäre. Auf meinen Kopf stand eine Riesensumme, meine Angehörigen wurden als Geiseln ermordet, mein Land wurde besetzt. Das Recht auf Selbstbestimmung musste der Gewalt weichen. Ich bin dann heimlich wieder zurückgekehrt, aber ich wollte keinen Menschen mehr sehen und mich für immer aus der Zivilisation zurückziehen. Mit den Resten meines Vermögens und einer Handvoll Gleichgesinnter verschwand ich wieder."
(Übersetzung von Lothar Baier)
[1] Bundelkund (auch Bundelkhand) ist eine Region im zentralen Norden Indiens, die erst im Jahr 1817 unter britische Kontrolle geriet. Wenn also Bundelkund noch unabhängig war, als Nemo 10 Jahre alt war, dann müsste er jetzt (zum Zeitpunkt, zu dem LOEG spielt) schon mindestens Ende 70 oder älter sein.
[2] Mit Tippu-Sahib ist wahrscheinlich Tipu Sultan (1753-1799) gemeint, der Herrscher von Mysore (im Südwesten Indiens) war und, wie zuvor sein Vater Haidar Ali, in mehreren Kriegen und Schlachten Widerstand gegen die Briten geleistet hat. Er war zwar Moslem, tolerierte aber den Hinduismus, und zeigte sich aufgeschlossen für die Ideen der Aufklärung, der Französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer.
[3] Im Sepoy-Aufstand (1857-1859) ballte sich die Unzufriedenheit der Inder mit der britischen Herrschaft. Die Sepoys waren indische Soldaten in der indisch-britischen Armee, die sich gegen ihre Vorgesetzten erhoben, als eine neue Munition eingeführt werden sollte. Diese musste mit Rinder- und Schweinefett geschmiert werden, was die religiösen Gefühle von Hindus und Muslimen verletzte. Mehr dazu hier.
Vieles an Nemos Äußerem (Bart, lange Haare, Turban) gehört zum typischen Erscheinungsbild der Sikhs (übrigens wollte Verne den Kapitän zuerst als Polen darstellern, was aber von seinem Verleger verhindert wurde). Erst in Die geheimnisvolle Insel wird Nemo als Inder beschrieben, während 20.000 Meilen unter dem Meer seine Herkunft offen lässt. Dort wird er folgendermaßen beschrieben:
Der zweite Unbekannte verdient eine eingehendere Beschreibung. Ein Schüler von Gratiolet oder Engel hätte in seiner Physiognomie wie in einem offenen Buche gelesen. Seine hervorstechenden Charaktereigenschaften enthüllten sich mir auf den ersten Blick: - Selbstvertrauen, denn sein Kopf erhob sich voll Adel über dem Bogen, den die Linie der Schultern beschrieb, und kühle Sicherheit strahlte aus den schwarzen Augen; - Gelassenheit, denn seine Haut, blass eher als farbkräftig, zeugte von ruhigem Blut; - Energie, die das rasche Zusammenziehen der Augenbrauen bewies; - Mut schließlich, denn auf vitale Offenherzigkeit deutete der tiefe Atem hin.
Der Mann war stolz. Sein fester und ruhiger Blick schien hohe Gedanken widerzuspiegeln. All dies, der Einklang von Körperbewegungen und Mimik, kündete nach den Feststellungen der Physiognomen unbestreitbar von einer offenen Seele.
Unwillkührlich fühlte ich mich in seiner Gegenwart beruhigt und erwartete nur Gutes von unserer Unterredung.
Ob dieser Mann 50 oder 35 Jahre alt war, hätte ich nicht sicher angeben können. Er war von hohem Wuchs, hatte eine weite Stirn und gerade Nase, sein Mund war klar gezeichnet und zeigte prachtvolle Zähne. Die feinen, schlanken Hände waren in höchstem Grade "psychisch", um einen Ausdruck der Chironomie zu verwenden, der heißen soll: würdig, einer hohen und leidenschaftlichen Seele zu dienen. Unbestreitbar stellte dieser Mann einen bewundernswerten Typus dar, wie ich ihn sonst niemals getroffen habe.
(Übersetzung von Peter Laneus)
Die Muschel auf Nemos Turban ist gehört zum Nautilus, dem Tier, das auch als "lebendes Fossil" bekannt ist, und das seinem Schiff den Namen gab.
"Memsahib" ist eine weibliche Anrede in Hindi, das Gegenstück zum männlichen "Sahib".
Mit der Bemerkung "Wenn ich schon Frauen an Bord meines Schiffes habe..." spielt Nemo auf den uralten Seefahrer-Aberglauben an, dass es Unglück bringt, Frauen an Bord zu haben.
Auf Seite 3, Panel 2 spricht Campion Bond im Bezug auf Nemo von einer "Entzündung des Gehirns". In der viktorianischen Ära wurden Verhaltensweisen, die nicht der Norm entsprachen, oft mit Krankheiten erklärt. Frauen, die sich männlich verhielten, litten an "Hysterie", exzentrisches Verhalten konnte an einer "Entzündung des Gehirns" liegen. Bei Jules Verne gibt es jedoch keine Hinweise, dass Nemo hiervon betroffen wäre.
Panel 4:
"Mohammedanisch", ein anderes Wort für muslimisch, das damals sehr modern war. Dass Nemo als Sikh wenig von Muslimen hält, verwundert nicht. Sikhs und Muslime sind selten gut miteinander ausgekommen und haben sich immer wieder bekämpft.
Panel 5:
Mann: "Lasst die weißen Teufel nicht entkommen... der verdammte Große... ist er nicht..."
(Vermutlich erkennt der Verfolger entweder Quatermain oder Nemo)
Panel 6:
Mann: "Ihr werdet uns sagen..."
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Panel 5:
Im Lateinischen bedeutet "Nemo" "niemand". In 20.000 Meilen unter dem Meer ist Nemo nicht der richtige Name des Kapitäns. Als er nach seiner Identität gefragt wird, sagt er nur, dass er Kapitän Nemo genannt werden und auch nicht die Namen seiner Passagiere wissen möchte.
Schon in der griechischen Odysseus-Sage kommt etwas ähnliches vor: der Zyklop Polyphem, dem Odysseus weismacht, er heiße "Niemand" (Utis).
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Panel 3:
Die Narben auf Quatermains Bauch könnten vom Kampf mit einem Löwen stammen, der in König Salomons Schatzkammer erwähnt wird.
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Panel 1:
Die Diamantminen, von denen Quatermain phantasiert, sind die von König Salomon, die Quatermain einst gefunden hat. "Umslopogaas" hieß Quatermain's tapferer Begleiter, ein Zulu. Mehr zu seinem Schicksal erfahren wir in der Geschichte Allan und der geteilte Schleier.
Das Steuerrad, das man im Hintergrund sieht, zeigt die Hindu-Gottheit Shiva als Tänzer. Shiva ist der Gott der Zerstörung (aber auch der Erneuerung) und des Tanzes und gehört zu den drei wichtigsten Hindu-Göttern.
Panel 4:
Während sie über ihre Eignung spricht, deutet Mina unbewusst an ihren Hals, ein weiterer Hinweis auf ihre wahre Identität.
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Panel 1:
Das Stadtbild von Paris spielt auf Jules Vernes Erzählung Paris au XXe siécle (Paris im 20. Jahrhundert, 1863) an, in der er sich ausmalt, wie Paris in 100 Jahren aussehen könnte. Erstaunlich, was Verne damals alles vorausahnte: Überbevölkerung, Wolkenkratzer, Luftverschmutzung, Faxgeräte, elektrische Straßenbeleuchtung, Gemüse, das vom Äquator kommt, und manches mehr.
Panel 3:
Die "Affäre mit der geheimnisvollen Insel" ist eine Anspielung auf Jules Vernes Roman Die geheimnisvolle Insel.
SEITE 17
Panel 1:
Auguste Dupin ist der brilliante französische Hobby-Detektiv aus Edgar Allan Poes Erzählungen Murders in the Rue Morgue (Der Mord in der Rue Morgue, 1841), The Mystery of Marie Roget (Das Geheimnis der Marie Roget, 1842) und The Purloined Letter (Der entwendete Brief, 1844). Poe gilt durch diese Geschichten als Mitbegründer des Detektiv-Genres. Wie Sherlock Holmes basierte auch Dupin auf realen Vorbildern: dem Rechtsexperten André-Marie-Jean-Jacques Dupin, und dem ehemaligen Verbrecher und späteren Polizeichef Francois Eugene Vidocq.
Auch bei Sherlock Holmes gibt es einen Kommentar zu Auguste Dupin. In der Geschichte A Study In Scarlet (Studie in Scharlachrot, 1887) sagt Watson im Gespräch mit Holmes:
"So wie du es erklärst, ist es ganz einfach," sagte ich lächelnd. "Du erinnerst mich an Edgar Allan Poes Dupin. Ich hatte keine Ahnung, dass es solche Individuen auch außerhalb von Geschichten gibt."
Sherlock Holmes stand auf und zündete sich seine Pfeife an. "Zweifelsohne möchtest du mir mit dem Vergleich mit Dupin ein Kompliment machen," erkannte er. "Nun, meiner Meinung nach war mir Dupin weit unterlegen. Sein Trick, auf die Gedanken seiner Freunde erst nach viertelstündigem Schweigen mit einer Apropos-Bemerkung einzugehen, ist ziemlich theatralisch und aufgesetzt. Er war ein analytisches Genie, kein Zweifel; aber er war keineswegs so ein Phänomen, wie Poe sich ihn vorstellte."
(Übersetzung von Thomas Kögel, da keine deutsche Ausgabe gefunden)
Panels 5-6 und SEITE 18, Panels 1-2:
Dupin erzählt von Ereignissen aus Der Mord in der Rue Morgue.
SEITE 18
Panel 4:
Der "Unhold von Whitechapel" ist Jack the Ripper, dem sich Alan Moore bereits in From Hell ausführlich widmete.
Panel 5:
Anna Coupeau alias Nana stammt aus den Romanen L'Assommoir (Der Totschläger, 1877) und Nana (1880) von Emile Zola. Nana wird durch die Alkoholsucht ihrer Eltern in die Prostitution getrieben, steigt durch ihre Beziehungen zu reichen Männern in der Gesellschaft auf, fällt aber später tief.
SEITE 19
Panel 3:
Mina weigert sich, ihren Schal abzunehmen, weil man darunter die Narben vom Biss des Dracula sehen könnte. In Band 2 der LEAGUE wird man diese Narben zu sehen bekommen.
SEITE 21
Panel 8:
Der französische Dialog lautet auf deutsch etwa so:
Dupin: "Entschuldigung, Fräulein..."
Panel 9:
Straßenmädchen: "Guten Abend, Papi. Du schon wieder?"
Dupin: "Ich suche eine Frau. Eine kleine Brünette. Sie ging mit einem Kunden..."
SEITE 22
Panel 1:
Straßenmädchen: "Ja, die hab ich gesehen! Hat mir meinen Kunden geklaut. Sie ging da lang mit Henri dem Engländer, vor weniger als zwei Minuten!"
Dupin: "Dieser Henri ist ein kräftiger Mann, was? Ein echter Gorilla?"
Panel 2:
Straßenmädchen: "Henri? Das ist ein dünner kleiner Engländer. Er hat ein Zimmer hier um die Ecke."
Dupin: "Danke, Fräulein. Sie waren mir eine große Hilfe."
Panel 5:
Hier fliegt ein Schirmständer aus dem Fenster, der aus einem Elefantenfuß gemacht ist. So etwas war in viktorianischer Zeit modern.
SEITE 24
Edward stammt aus Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, 1886). Im Roman will der gute Dr. Jekyll mit Hilfe von Drogen seine "freidenkende Seite" (sein Es) von seinem normalen Selbst trennen. Daraus erwächst Edward Hyde, der seine schlechte Seite repräsentiert und der sich in diversen Verderbtheiten, die nicht näher erläutert werden, ergeht.
Im Unterschied zum Comic ist Hyde im Buch jünger als Jekyll, außerdem verkrüppelt, aber sehr flink. Erst am Ende des Romans wird er etwas größer. Bei Stevenson begeht Hyde Selbstmord.
Der schwere Stock, den Hyde hier schwingt, ist von der gleichen Art wie der Stock, mit dem Hyde im Roman Sir Danvers Carew tötete:
Mr. Hyde trug in seiner Hand einen schweren Stock, mit dem er herumfuchtelte, doch er antwortete mit keiner Silbe und schien mit schlecht verhehlter Ungeduld zuzuhören. Und dann, ganz plötzlich, brach er in wütendem Zorne los, stampfte mit dem Fuß, schwang seinen Stock und führte sich (nach der Beschreibung des Mädchens) wie ein Besessener auf. Der alte Herr trat mit der Miene höchster Überraschung und etwas gekränkt einen Schritt zurück. Jetzt durchbrach Mr. Hyde alle Schranken, knüttelte ihn nieder und im nächsten Augenblick, mit der Raserei eines Affen, trampelte er sein Opfer unter die Füße und ließ einen ganzen Hagel von Schlägen auf den Wehrlosen niedersausen, unter deren Wucht die Knochen krachten und der entseelte Körper auf dem Fahrdamm zuckte.
(Übersetzung von O.H. Schultz)
Den gleichen Stock sieht man auch im Film Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Rouben Mamoulian (USA 1931). In diesem Film (wie auch im LOEG-Comic) verwandelt sich Jekyll immer dann, wenn er unter Stress steht. Nach jeder Verwandlung sieht Hyde monströser und affenartiger aus.
Auf dem Verteilerkasten steht "Edison/Teslaton". Thomas Alva Edison (1847-1931) erfand 1879 die Glühbirne, die mit Gleichstrom betrieben wurde. Nicola Tesla (1856-1943), der für Edison arbeitete und später sein Rivale wurde, erfand 1888 den Wechselstrom. Tesla tat sich schwer, die Leute vom Wechselstrom zu überzeugen, denn Edison, der viel berühmter war, befand ihn als gefährlich für Menschen. In der Welt der LEAGUE haben die beiden scheinbar einen gemeinsamen Weg gefunden.
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